Damals in Den Haag

Manchmal wünschte ich, ich wäre irgendein cooler Influencer. So einer, dessen Blog von der halben Welt gelesen und geteilt wird. Okay, normalerweise wünschte ich das nicht, aber gerade im Moment ist mir so. Ich habe nämlich ein gebrauchtes Buch gekauft, als Ersatz für eines, das vermutlich bei dem Wasserschaden in Hamburg abgesoffen ist, und da war ein „Lesezeichen“ drin. Und seitdem beschäftigt mich das Lesezeichen viel mehr als der Hobbit (den kannte ich nämlich schon).
Hier, das ist das Lesezeichen:


Auf der Rückseite steht, mit blauem Filzstift geschrieben:

16.6 – 20.6.82
Tage in Den Haag

Falls sich irgendwer wieder erkennt, oder falls irgendwer Mama und Papa oder Oma und Opa oder Tante Sabine mit ihrem damaligen Freund Gerhard wieder erkennt, oder falls ich jemandes Persönlichkeitsrechte verletze, bitte melden. Ansonsten grüble ich jetzt weiter: Wer sind diese zwei? Wie war’s in Den Haag? Sind Sabine und Gerhard zusammen geblieben, haben drei Kinder bekommen und wohnen jetzt am Stadtrand in einem Reihenhaus? Denken sie noch manchmal an die tollen Tage in Den Haag? Haben sie dort Poffertjes gegessen? Und warum, WARUM haben sie den kleinen Hobbit verkauft???????

U.A.w.g.

(P.S. Ludi, sei ehrlich, das bist Du…)

Geeeenau!!!

Was habe ich mir Mühe gegeben, meine Kinder zu friedliebenden Menschen zu erziehen. Habe ihnen erzählt, dass Gewalt keine Lösung ist und es viel besser sei, Probleme anders zu klären… und da sagt dieses Kind doch zu mir: „Schlag ein paarmal kräftig auf den Power-Button vom Handy!“
Und was soll ich sagen – er hatte recht. Das war gar kein Software-Fehler, sondern da hatte sich was verklemmt. Mein Handy ist so gut wie neu.
Dann kann ich ja weiter Drei-gewinnt spielen…

HA!!!!

Der Beste aller Männer fand es immer ein wenig merkwürdig, dass man in meiner Familie beim Verabschieden „Fahr vorsichtig und komm gut nach Hause“ sagt. Natürlich fährt man vorsichtig. Natürlich kommt man gut nach Hause. Deshalb sagt in seiner Familie auch niemand so etwas Albernes. Und was ist? Wir fahren (in zwei Autos, weil er noch bei einem Fußballspiel vorbei gucken muss) von seiner Familie weg, und nachdem seine Fußballmannschaft weder gewonnen noch verloren hat, meldet er sich um 2 Uhr in der Nacht, dass er dann wohl doch besser erst morgens kommt, weil der Camper seinen Auspuff verloren hat. Nunja, wenigstens hatte er ein Bett dabei.
Oh man, diese Autos sind wirklich nicht mehr sooo toll. Allerdings kann man das auch anders ausdrücken: Wir haben eine Oldtimer (Omas Golf ist 25 Jahre alt, und ich kann mich noch nicht davon trennen. War doch Omas!) und einen großen Mercedes (ja, der Camper ist sogar besonders groß!).
Klingt doch gleich viel besser…

Farbe bekennen

Der Beste aller Männer wünscht keinen gelben Kissenbezug auf seinem Lieblingskissen. Das hat irgendwas mit Fußball zu tun und damit, dass seine Fußballmannschaft meistens in Rot, aber keinesfalls in Gelb herumrennt, und darum ist auch sein Lieblingskissen rot. Rot-Weiß, das ginge auch, sagt er. Aber Gelb eben nicht, und ich habe so ein schönes Stück gelben Stoff, aber nein, darauf kann er nicht ruhig und friedlich schlafen.
Das Problem ist, dass der Hund das rote Kissen auch toll findet. Zum drauf schlafen, für die Pfotenpflege oder auch, um es direkt zu belabbern, ohne den umständlichen Umweg über die Füße. Und darum ist der Bezug nun nass und dreckig. Und rot. Und jetzt muss es in die Waschmaschine, aber rote Kissen färben. Es könnte eine Weile dauern, bis wir genügend rote dreckige Wäsche für eine Waschladung gesammelt haben, und ich schlug vor, doch einen Ersatzkissenbezug zu nähen, und, ja, da kam das Problem mit dem gelben Stoff.
Ich habe eine Lösung gefunden. Ich hatte noch Stoff hier, den ich über hatte, weil… egal. Lange Geschichte. Und sein Lieblingskissen sieht jetzt SO aus:

Das geht doch, oder?

ODER????????

Überdimensioniert

Also, ich bin ja riesige Viecher gewohnt. Jetzt nicht gerade der Chihuahua (wenn man mal von ihrem Ego absieht), aber was hier so frei draußen herumfliegt, ist schon ziemlich überproportioniert. Die Rotmilane (wegen denen der Chihuahua nicht mehr alleine auf die Terrasse darf – seit da neulich einer auf der Brüstung saß und sehr hungrig guckte!), die Reiher (es gibt hier sogar eine Kolonie Silberreiher!) und die Hühner vom Nachbarn (Vorwerkhühner. Eine echt riesige Hamburger Rasse). Aber die sind alle… ja, ich weiß auch nicht… irgendwie grazil. Der Riesenvogel, der eben auf der Weide oben beim Pferdestall saß, war dagegen richtig fett.
Ist natürlich gemein, sowas zu sagen, schon von wegen der Sache mit dem Glashaus und den Steinen, und außerdem fand er sich bestimmt bildhübsch, aber ich musste trotzdem zweimal hingucken, weil das Vieh so grotesk aussah. Und dann musste ich das Auto anhalten (auf unseren Straßen geht das), das Handy zücken und schnell ein Foto machen (leider dauerte es etwas, bis ich das Handy fand, und der Fettvogel ist in der Zeit ein Stück weit weg geflogen).
Zuhause musste ich dann googeln. Freund Fettvogel ist eine Nilgans, ja!

Nilgänse, sagt das allwissende Google, gab’s früher in Afrika, und inzwischen eigentlich überall. Und offensichtlich jetzt auch bei uns. Jedenfalls die eine.

Übrigens, wenn wir schon von „übertrieben“ reden – ich war ja doch stolz, dass ich einige Bücher aussortiert habe, die ich bestimmt nie wieder lesen werde. Allerdings vermisse ich einige andere Bücher immer noch schmerzlich, die vermutlich (genau werde ich es wohl nie wissen) bei dem Wasserschaden im alten Haus abgesoffen sind. Speziell ein Jugendbuch hätte ich gerne, und ich kann es auf keiner der einschlägigen Plattformen finden. Also bin ich auf die Idee gekommen, mal unter Jugendbücher Paketen zu suchen, in der Hoffnung, dass sich da mein Buch dazwischen verirrt hat. Bisher hatte ich kein Glück. Dafür sah ich heute einen Karton mit ca 50 Jugendbüchern, von denen ich ungefähr 20 gerne (mal wieder) lesen würde. Die waren super preiswert. Ratet mal… ich muss wohl doch nochmal sortieren. Ganz doll. Oder… anbauen??? Langsam tut mir der Beste aller Männer ja doch ein wenig leid. Ich schleppe zu viel komische Dinge an. An dem Chihuahua ist allerdings er Schuld, und der ist ja nun wirklich das Komischste, was hier herumliegt…

Nur kurz einkaufen

Früher, zu Zeiten der „Fasse Dich kurz“-Aufkleber, hätte ich darauf vertraut, dass sich die Dame in der Telefonzelle auch tatsächlich kurz gefasst hätte. Leider gibt es diese Sorte Telefonzellen nicht mehr, und die Dame stand da auch nur, um sich neue gebrauchte Bücher auszusuchen (dafür stehen die Telefonzellen nämlich bei uns!), also überlegte ich, ob ich nicht meine sozialen Fähigkeiten etwas trainieren solle. Und entschied mich für „Ja, gute Idee“.
„Möchten Sie noch einen netten Krimi?“, fragte ich, nachdem ich die Telefonzellentür geöffnet hatte, und deutete auf ein Exemplar mit fröhlich-blutverschmiertem Handabdruck auf dem Cover, das sich in meiner Tauschkiste befand. Sie bedankte sich höflich, lehnte aber ab, da sie sonst nicht schlafen könne. Woraufhin ich eifrig einen „heiteren Familienroman“ und eine „wunderbare Liebesgeschichte“ aus meiner Sammlung suchte und sie ihr in die Hand drückte. Sie wagte nicht abzulehnen, während ich nicht wagte, mir ihre Familiengeschichte nicht anzuhören. Aber da hätte ich auch was verpasst, das war schon spannend. Nach über einer Stunde intensiven Gesprächs verabschiedeten wir uns – sie mit den Büchern und ich mit einer Einladung, doch gerne auf ihr Grundstück zu kommen und da soviel Bärlauch zu pflücken, wie ich wollte – und mit ihrer Telefonnummer. Und drei neuen Büchern, die ich noch nicht kannte
Als nächstes fuhr ich zur Tankstelle, um den Saharastaub vom Auto zu waschen. Die Waschstraße befindet sich, nicht einsehbar, hinter selbiger Tankstelle, weswegen mir auch entging, dass das halbe Dorf auf dieselbe lustige Idee gekommen war. Wie gut, dass ich drei neue Bücher im Auto hatte.
Mit nunmehr sauberem Auto startete ich noch einen Vorstoß auf die Gemüseabteilung des örtlichen Supermarktes. und stellte dort fest, dass gerade Schulschluss war. Sämtliche Kinder der Grund- und weiterführenden Schule befanden sich in eben diesem Supermarkt, um ihr Taschengeld auszugeben oder, alternativ, drei Bröchen zu kaufen.
Ich habe für „Einmal kurz einkaufen“ über zwei Stunden gebraucht. Dafür weiß ich jetzt aber auch, dass man sich im örtlichen Friedhof auf jede Art bestatten lassen kann, ob in einer Wand in der Urne oder unter einem Baum. Ich weiß, wann und wo es „Frauenfrühstück“ gibt, dass es auf dem Weg zur Burg hoch einen Rätselpfad für Kinder gibt (aber ich muss die Rätsel nicht lösen. Ich kenne auch schon das Lösungswort). Und ich weiß, dass der Gatte jener Frau ein Idiot ist. Er ist sechzehn Jahre älter als sie und obwohl es ihr gesundhheitlich nicht gut geht, ist sie fest entschlossen, ihn zu überleben. Nur um ihn zu ärgern.
Ich musste so an meine Oma denken. Die kam aus derselben Ecke, wenn sie auch 19 Jahre älter war. „Sie schaffen das“, sagte ich. „Auch wenn Sie nicht nicht mehr dran erinnern können, dort geboren zu sein, so haben Sie offensichtlich doch einen echt pommerschen Dickkopf. Meine Oma wäre stolz auf sie.“
Nächste Woche ist sie die Dame in Köln. Aber übernächste Woche bringe ich ihr mal ein paar Blumen vorbei!

Dorf-Nachtrag

Ich fuhr nach unten, um den Schlüssel vom Auto aus der Werkstatt abzuholen („…ja, dann nimm es am Sonntag vom Hof runter und bezahl bei Gelegenheit, und hol den zweiten Schlüssel irgendwann raus…“ # Dorf eben!). Ich fuhr zurück nach Hause. Direkt hinter der Grenze des unteren Ortsteils, da, wo die Weiden anfangen, saß eine Katze auf der Wiese und guckte mich an. Süß war die. Weiß, schwarze Ohren und einen unverwechselbaren schwarzen Fleck rechts neben der Nase. Ich erzählte ihr, wie niedlich sie sei (sie zeigte sich davon nicht beeindruckt. Sie wusste das nämlich!) und fuhr weiter. An den Weiden entlang, die Kurven hoch, an der Hustenburg vorbei, dann am Aussichtspunkt (früher wurden hier Menschen gehenkt, damit die noch ein letztes Mal die Schönheit ihrer Heimat sehen sollten. Meine Güte…), dann durch unseren Ortsteil. Und dann, ganz am Ende, links in die Straße. Und da, links, saß im Garten eine Katze und guckte mich an. Weiß, schwarze Ohren und einen unverwechselbaren schwarzen Fleck rechts neben… MOOOOMENT!!!!
Als ich ein Kind war, sagte meine gleichaltrige Freundin mal, als ich mich wunderte, dass in ihrem Dorf alle denselben Nachnamen trugen: „Ist doch alles Inzucht hier“. Mich beeindruckte ihr Weltverständnis damals sehr.
Ich habe der Katze dann liebe Grüße von ihrer vergeschwisterten Schippschwagercousine aufgetragen. Und ihr erzählt, wie süß sie doch sei.
Aber das wusste sie schon.

Stadt-Land-Unterschiede

Eigentlich wollte ich eine Top-3 der Unterschiede zwischen Stadtleben und Landleben erstellen, aber es gibt einfach zu viele tolle, erwähnenswerte Unterschiede. Zum Beispiel:

– In der Stadt wird man um fünf Uhr morgens von den heimkehrenden Betrunkenen geweckt. Ich wollte eigentlich schreiben, dass man auf dem Land um diese Uhrzeit schon lange wach ist, weil der bekloppte Hahn von Nebenan sich bereits um vier Uhr einbildet, ein begnadeter Sänger zu sein, aber das ist gar nicht der größte Unterschied. Der WIRKLICH größte Unterschied ist, dass schreiende Hähne in der Stadt beim kleinsten Misston zum Stimmtrainer, zum Hals-Schnabel-Ohrenarzt und im Falle gnadenloser Selbstüberschätzung um vier Uhr früh zum Psychiater geschickt werden. Auf dem Land werden die Schreihälse kurzerhand gegessen und durch ein leiseres Modell ersetzt. Also: Auf dem Land wacht man AUCH erst um 5 Uhr morgens auf, aber man wird durch das liebliche Geräusch einer Kreissäge geweckt. Oder eines Rasenmähers. Oder was auch immer die Nachbarn an tollen, neuen Geräten haben, die sie einem unbedingt vorführen müssen.

– Gespräch in der Stadt mit den Nachbarn: „Moin“ – „Moin“ (alles andere ist für den Hamburger Gequassel).
Gespräch auf dem Land mit den Nachbarn: „…und dann hat die Inge gesagt, also die Inge von dem Günther, aber nicht dem Günther mit dem neuen Aufsitzmäher, sondern dem, wo damals die Mutter mit ihrem Geliebten gegangen ist, aber der hatte dann ja doch kein Geld, und hat dann versucht, sich von Karl-Heinz was zu borgen, also dem unten im Dorf, nicht dem oben, der lebte zu der Zeit schon im nächsten Dorf, weil er mit der Schwester von der Tante von dem Ortsvorsteher…“ (Ich glaube, ich bleibe im Herzen immer Hamburger!!!)

– Wenn man in der Stadt die Tomaten zu kaufen vergisst, läuft man kurz nochmal los und kauft welche. Auf dem Land isst man dann entweder bis zum nächsten wöchentlichen Einkauf keine Tomaten oder wartet bis die reif werden, je nachdem, was früher passiert (und außerdem hat man noch eingelegte Tomaten vom letzten Jahr in der Speisekammer. Und vom vorletzten auch).

– Wenn die DHL-Sendungsverfolgung in der Stadt sagt „Noch sechs Stopps bis zu dir“, dann geht man schonmal runter. Unten angekommen, ist der DHL-Bote gerade da. Auf dem Land bedeutet sechs Stopps: ungefähr noch drei bis vier Stunden. Und auch nur, wenn Oma Gerda keinen Apfelkuchen gebacken hat, dann dauert’s länger.

Oh, ach ja, und das eindeutigste Anzeichen dafür, wo man wohnt:
– Stadt: „Klar hat mein Kind Spielzeugautos: Feuerwehr, Krankenwagen, Polizeiauto…“
Land: „Klar hat mein Kind Spielzeugautos: Miststreuer, Heuwender, Maishäcksler…“

Wir haben Besuch

Meine Großeltern besaßen ein Gästebuch (wo ist das eigentlich geblieben?) in welchem in launigen Worten auf den Zweck dieses Buches hingewiesen wurde: „Der Gast, und wenn er noch so stört, es hilft ihm nichts, er wird geehrt!“.
Ja, das kann man so ähnlich im Moment auch hier bei uns sagen:

Und wenn der Teddy auch schlecht hört, so wird die Hazel doch geehrt!

Ich hoffe, Stoffohren bringen ihre Verdauung nicht zu sehr durcheinander.
Sie ist ja süß, aber Himmel, ist die anstrengend…